Fördern während man abwartet – und nicht vor der Notwendigkeit in die Knie gehen
Beim Folgenden handelt es um eine Übersetzung der ersten sechs Absätze aus dem 2. Teil (“Everything We´re Doing Is About Revolution”) der Rede Making Revolution and Emancipating Humanity von Bob Avakian:
Als nächstes möchte ich über den „bereicherten Was-tun-ismus“ und seine Rolle beim Aufbau einer revolutionären und kommunistischen Bewegung sprechen. Ich möchte beginnen, indem ich auf einige wichtige Punkte zurückkomme, die sich auf die ganze Orientierung und strategische Herangehensweise des „Förderns“ der Entwicklung einer revolutionären Situation in einem Land wie den USA, während man sie gleichzeitig „abwartet“, beziehen.
Ich habe zuvor über die Sichtweise und Herangehensweise des revisionistischen „deterministischen Realismus“*** gesprochen, der unter anderem eine passive Haltung gegenüber der objektiven Realität (oder der Notwendigkeit) beinhaltet, der den objektiven Faktor als rein objektiv – und als rein „äußerlich“, wenn man so will – betrachtet und der nicht die lebendige dialektische Beziehung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Faktor und nicht die Fähigkeit des Letzteren (des subjektiven Faktors – der bewussten Handlungen von Menschen) begreift, auf Ersteren (den objektiven Faktor – die objektiven Bedingungen) zurückzuwirken und diesen zu transformieren. Anders ausgedrückt: Der „deterministische Realismus“ begreift nicht die wesentliche Orientierung und die Möglichkeit, Notwendigkeit in Freiheit zu verwandeln. Er begreift die Widersprüchlichkeit aller Realität nicht wirklich oder vollständig, einschließlich die der Notwendigkeit, mit der man zu einem gegebenen Zeitpunkt konfrontiert ist. Also stellt es eines der wesentlichen Merkmale des „deterministischen Realismus“ dar, dass er jegliches dialektisches Verständnis vom Verhältnis zwischen dem objektiven und dem subjektiven Faktor als „Voluntarismus“ abtut und dass er die Dinge auf eine sehr lineare, undifferenzierte Weise betrachtet, als im Wesentlichen gleichförmig und frei von Widersprüchen, anstatt sie als lebendig, dynamisch, sich bewegend und verändernd zu betrachten.
Natürlich ist es notwendig, nicht in Voluntarismus zu verfallen. Ein solcher Voluntarismus kann auf viele verschiedene Weisen zum Ausdruck kommen und er führt zu allen möglichen (üblicherweise „ultralinken“) Fehlern und Abweichungen, wenn man so will (auch indem man infantilen und abenteuerlichen Impulsen folgt), was auch extrem schädlich ist. Die bei weitem größere Gefahr – insbesondere in einer langwierigen und lange andauernden Situation, in der die objektiven Bedingungen für Revolution (im Sinne eines aufs Ganze gehenden Kampfes zur Eroberung der Macht) noch nicht herangereift sind – stellt jedoch dieser deterministische Realismus dar, der die dialektische Beziehung zwischen objektivem und subjektivem Faktor nicht richtig begreift und sie auf eine statische, undialektische und unveränderliche Weise betrachtet. Und er wird durch eine solche objektive Situation auch noch bestärkt.
Es stimmt, dass wir die objektiven Bedingungen nicht durch unseren bloßen Willen und nicht einmal durch unsere Handlungen selbst auf qualitative Weise in eine revolutionäre Situation verwandeln können. Das geht nicht bloß indem wir durch unsere bewusste Initiative auf die objektiven Bedingungen einwirken oder auf sie reagieren. Auf der anderen Seite kommt hier nochmals einer Aussage Lenins große Bedeutung zu. In Bezug auf die Arbeiteraristokratie – also auf die Teile der Arbeiterklasse in imperialistischen Ländern, die in nicht geringem Maße mit einem Teil der Beute aus der imperialistischen Ausbeutung und Ausplünderung in aller Welt, insbesondere in den Kolonien bestochen worden sind – machte Lenin den Punkt, dass niemand mit Gewissheit sagen könne, wo sich diese eher „verbürgerlichten“ Teile der Arbeiterklasse im Falle einer Revolution einreihen würden – welche Teile von ihnen auf Seiten der Revolution sein würden, wenn es zur entscheidenden Machtprobe kommt, und welche sich der Konterrevolution anschließen würden. Lenin bestand darauf, dass niemand genau vorhersehen könne, wie das ausgehen wird. Wenn wir aber das gleiche Prinzip anwenden, dann können wir sagen, dass niemand genau vorhersehen kann, was die bewusste Initiative der Revolutionäre, wenn sie auf die objektive Situation zu einem gegebenen Zeitpunkt reagieren, hervorbringen mag – teilweise auch deswegen, weil niemand all die anderen Dinge vorhersagen kann, die all die anderen Kräfte in der Welt tun werden. Das Verständnis von niemandem kann all das einbeziehen. Wir können Tendenzen und Muster identifizieren, doch gibt es die Rolle des Zufalls wie auch die der Kausalität. Und dann besteht die Tatsache, dass – selbst wenn Veränderungen in dem, was für uns objektiv ist, nicht gänzlich und vielleicht nicht einmal hauptsächlich durch unser „Bearbeiten“ der objektiven Bedingungen (in irgendeinem direkten, linearen Sinne) hervorgebracht werden – unser „Bearbeiten“ von ihnen nichtsdestotrotz bestimmte Veränderungen innerhalb eines gegebenen Rahmens objektiver Bedingungen hervorbringen kann. Und es besteht die Tatsache, dass das unter bestimmten Umständen Teil des Zusammenkommens von Faktoren sein kann, die dann in der Tat in einer qualitativen Veränderung resultieren – in Verbindung mit einer „Mischung“ und als Teil von ihr, zusammen mit vielen anderen Elementen, darunter auch anderen Kräften, die von ihrem jeweiligen Standpunkt aus auch auf die objektive Situation einwirken. Und, um das nochmals zu sagen, es ist wichtig zu betonen, dass niemand genau wissen kann, wie sich das alles entwickeln wird.
Revolution wird nicht nach einem „Schema“ gemacht oder indem man in Übereinstimmung mit stereotypen Ansichten und Vorannahmen handelt – sie ist ein viel lebendigerer, reicherer und komplexerer Prozess. Jedoch ist es ein wesentlicher Charakterzug des Revisionismus (Pseudokommunismus, der eine revolutionäre Orientierung durch eine Orientierung ersetzt hat, die auf allmähliche Entwicklungen setzt und letztlich reformistisch ist), zu bestimmen und zu erklären, dass bevor nicht irgendein deus ex machina – irgendein gottähnlicher ÄUSSERER FAKTOR – hinzutritt, es zu keiner wesentlichen Veränderung in der objektiven Situation kommen könne, und dass wir an jedem Punkt allenfalls den gegebenen Rahmen akzeptieren und in ihm arbeiten könnten. Ein solches Verständnis steht im Gegensatz zu einem, bei dem (wie wir es sehr korrekt formuliert haben) ständig gegen die Schranken des objektiven Rahmens gepresst und versucht wird, zu jedem gegebenen Zeitpunkt die objektiven Bedingungen soweit wie irgend möglich zu verändern, wobei ständig die Möglichkeit gespannt erwartet wird, dass verschiedene Dinge zusammenkommen, die einen wirklichen qualitativen Bruch und Sprung in der objektiven Situation hervorbringen (oder ihr Hervorbringen ermöglichen).
Das ist also Teil der grundlegenden Orientierung hinsichtlich der Anwendung des Materialismus und der Dialektik beim Fördern und gleichzeitigen Abwarten des Entstehens einer revolutionären Situation. Es ist nicht einfach so, dass es in irgendeinem abstrakten moralischen Sinne besser ist zu fördern als bloß abzuwarten – obwohl das natürlich stimmt –, sondern das hat mit einem dynamischen Verständnis von der Bewegung und Entwicklung der materiellen Realität, der gegenseitigen Durchdringung verschiedener Widersprüche und der Wahrheit zu tun, dass – wie Lenin betonte – alle Schranken in der Natur und der Gesellschaft zwar real, jedoch bedingt und relativ und nicht absolut sind. (Mao hat das selbe grundlegende Prinzip betont, indem er bemerkt hat, dass weil Dinge außerordentlich vielfältig und wechselseitig miteinander verbunden sind, das, was in einem Kontext allgemein, in einem anderen Kontext besonders ist.) Die Anwendung dieses Prinzips auf die hier diskutierte Frage unterstreicht, dass es nur relativ und nicht absolut so ist, dass die objektiven Bedingungen für uns „objektiv“ sind – sie sind es, jedoch nicht in einem absoluten Sinne. Und verbunden damit kann das, was in in einer gegebenen Situation äußerlich ist, zu etwas Innewohnendem werden, als ein Ergebnis der Bewegung von Widersprüchen – und von Veränderungen, die durch diese Bewegung hervorgebracht worden sind. Wenn man Dinge also nur auf eine lineare Weise betrachtet, dann sieht man nur die Möglichkeiten, die sich direkt vor den eigenen Augen abzeichnen – dann hat man so eine Art Scheuklappen auf. Wenn man dagegen eine korrekte, dialektisch-materialistische Herangehensweise anwendet, dann erkennt man, dass viele Dinge passieren können, die unerwartet sind, und dann befindet man sich ständig in gespannter Erwartung auf eine solche Möglichkeit, während man auch gleichzeitig beständig daran arbeitet, Notwendigkeit in Freiheit zu verwandeln. Es handelt sich hier also, um das nochmals zu sagen, um einen grundlegenden Punkt der Orientierung.
*** Die Frage des „deterministischen Realismus“ wird in Part I: “Beyond the Narrow Horizon of Bourgeois Right” behandelt (zugänglich über revcom.us und bobavakianinstitute.org) und als Teil der Veröffentlichung von Part I als Serie in dem Artikel „Marxism as a Science – In Opposition to Mechanical Materialism, Idealism and Religiosity“, in: Revolution, Nr. 109 (18. November 2007).